„Unsere Kirche braucht Schaufenster“ - Pfarrer Stichling wird in den Ruhestand verabschiedet

veröffentlicht 23.10.2025, Dekanat Kronberg

Pfarrer Michael Stichling wird am 9. November um 17 Uhr im Gemeindehaus der Evangelischen Lukasgemeinde Glashütten durch Propst Oliver Albrecht in den Ruhestand verbschiedet.

Zuletzt war der 67-Jährige in der Lukasgemeinde Glashütten als Pfarrer tätig. Davor war er 22 Jahre Gemeindepfarrer in verschiedenen Frankfurter Kirchengemeinden (ein Jahr in Niedereschbach und 21 Jahre in Nordwest) sowie in Wiesbaden (Marktkirchengemeinde, Stephanusgemeinde, Kreuzkirchengemeinde).

„»Unsere Kirche braucht Schaufenster«, sage ich immer. Wir müssen offen sein, nach draußen gehen. Kirche in besonderer Weise darstellen. Auch mal anders als man es erwartet, sodass die Menschen aufmerksam werden“, erklärt Stichling. Als leidenschaftlicher Musiker mit eigener Band gehört für ihn seit jeher gute Musik dazu. Ein passendes Schaufenster waren für ihn ganz naheliegend die Fenster des Gemeindehauses in Niedereschbach, die er in Kooperation mit Künstlern für alle sichtbar gestaltete. Aber auch der Kerbgottesdienst oder eine gemeinsame „St. Patrick‘s-Night“ mit der katholischen Gemeinde. „Ich habe immer versucht, Kirche mit anderen Leuten zu verbinden. Überall, wo es dem Glauben, dem aufeinander zugehen, der Gleichberechtigung, dem Frieden oder dem miteinander leben dient, bin ich dafür, den Glauben gemeinsam zu feiern. Diese Offenheit hat mich stets begleitet“, so Stichling. So hat er zum Beispiel in Wiesbaden Abende im Advent mit Kirche und musikalischer Gestaltung durch Sänger des Staatstheaters organisiert, die immer ausverkauft waren. Oder in Niederursel eine gemeinsame Musik- und Kultur-Veranstaltungsreihe mit einer anthroposophischen Einrichtung in der Nachbarschaft initiiert. „Ich habe überlegt, was vereinbarend ist und nicht nur danach geschaut, was man nicht miteinander kann“, ergänzt er. Geprägt hat ihn in dieser Hinsicht ein Studienaufenthalt in Brasilien, wo er nicht nur die Befreiungstheologie, sondern auch offenere Gottesdienstformen mit viel Bewegung kennen gelernt hat. „Ich finde es überhaupt spannend, spirituell neue Erfahrungen zu machen. Veranstaltungen, bei denen man den eigenen Glauben nochmal anders gestalten, erleben und teilen kann, habe ich deshalb immer als wunderbar empfunden“, erklärt Stichling. „Jeder ist auf dem richtigen Weg, wenn es der Weg zu Gott und seinen Gedanken ist. Wichtig ist die Gewissheit, dass man mit dem Glauben an Gott gut begleitet ist“, ergänzt er. 

Ein besonderes Projekt während seiner vielen Jahre in Niederursel war die Renovierung der Gustav-Adolf-Kirche. „Martin Elsässer hat die Kirche 1927 im Bauhaus-Stil geplant. In den 70er Jahren wurde vieles daran geändert. Das ursprünglichen Farb- und Raumkonzept war nicht mehr erkennbar. Als ich unter Farbschichten ein ehemaliges Wandgemälde entdeckt habe, war das der Anstoß für das Großprojekt. Zusammen mit dem Bundesdenkmalamt haben wir das Gebäude komplett in das ursprüngliche Aussehen zurück geführt – auch die bunten Fenster wurden wieder durch lichtdurchlässige Klarglasfenster ersetzt“, berichtet Stichling. Das führte ihn zur nächsten Event-Idee: mithilfe eines befreundeten Lichtkünstlers setzte er die Kirche und ihre Geschichte bei der Frankfurter Luminale in Szene und zeigte sie in ihrem völlig neuen „Licht“. 

In der Gemeindearbeit war ihm die Seelsorge ein besonderes Anliegen. „Ich mache meine Arbeit mit Herzblut und genau dieser Kontakt mit den Menschen in verschiedenen Situationen, hat den Beruf für mich so spannend gemacht. Bei den Kasualien auch auf diejenigen zuzugehen, die nicht mehr der Kirche angehören. Das hätte Jesus genauso getan. Da war ich auch offen für besondere Wünsche: eine Taufe im Fluss oder im Garten zum Beispiel“, erzählt Stichling. Diese fortwährenden Begegnungen mit Menschen werde er im Ruhestand auch vermissen. Aber er freut sich auf mehr Zeit für seine Musik und seine zweite Leidenschaft: den Wassersport – egal ob mit dem Segelboot, Kanu oder Stand-Up-Paddle-Board.